TANGO THEMEN :: BEOBACHTUNGEN :: FRAGEN


(Diese Texte sind als Aufforderung zum Dialog und Nachdenken zu verstehen - wir freuen uns auf Leserantworten, Bemerkungen, Kritik, argumentierte Meinungen und Gegenmeinungen, etc. Bitte nutzt dafür unsere “Kontakt”- Seite.)

A) EIN SCHÜLER - BLOG …

Hier zu Eurer Aufmerksamkeit ein wunderbarer Tango-Blog einer Schülerin, die es vorzüglich versteht unsere Unterrichts - Methodik humorvoll und amüsant aufs Blatt zu bringen, angereichert durch ihre ganz subjektiven Eindrücken und Gedanken.

http://icantango.blogspot.de

B) PRACTIMILONGUERO

PractiMilonguero ist ein Tango-Project, welches der Erhaltung und Pflege der “Códigos” (Tango Argentino Tanz-, Benimm- u.a. Regeln) gewidmet ist. Ein wichtiger Bestandteil davon ist ein sich ständig erweiterndes Archiv von Video-Interviews mit verschiedenen Milongueros und Milongueras, die aus eigener Erfahrung uns Ihre Sicht der Tango Kultur weitergeben (die Videos sind im Internet kostenlos zugänglich).

Mónica Paz, die Gründerin des Projects, hat im Jahr 2011 Interviews mit einigen europäischen Tango Lehrern- und Veranstaltern durchgeführt, die die Códigos bzw. Rituale des Tangos (cabezéo, Tanzrichtung, Sitzordnung, etc.) für ebenso unerlässlich wie untrennbar von der Gesamtkultur des Tango Argentino halten. Das Video heisst “PractiMilonguero on the Road” (Dobri Gjurkovs Interview beginnt ab Min. 7:47).

http://practimilonguero.wordpress.com/

Wir möchten damit denjenigen von uns, denen es wichtig ist, Tango Argentino unverfälscht zu leben und zu geniessen, einen interessanten sowie ermutigenden Denkanstoß geben.

C) EIN SCHÜLER - BERICHT …

„Das Wesen der Mathematik liegt in ihrer Freiheit.“

Dieser Satz des deutschen Mathematikers Georg Cantor könnte auch für den Tango gelten.
 Der Tango, dieses erdige Volkselement aus Buenos Aires soll eine Nähe zur Mathematik besitzen? Wie das?
 Eine erste Annäherung: „Form follows function“ oder Ein Bauhaus-Dogma und seine Folgen. 
Und nach zwei bis drei Stunden bei Dobri war sie da, die Übertragung auf den Tango: Function follows anima. Wie sollten wir jemals „gut“ tanzen, wenn wir nicht einmal in der Lage waren, zusammen gut zu stehen? Eine Trivialität? Mitnichten. Wir, meine Freundin und ich, sahen uns an. Ja, das war der Weg! Warum hatten wir ihn so lange (fast sechs Jahre lang) nicht fassen können? Das Wort Animation bekam für uns seine ursprüngliche Bedeutung zurück: Der Tango kann einen beseelen. Aber ohne das Zu- und Einlassen auf den Anderen und auf sich selbst, also das Beseelt- Sein, kann er es scheinbar nicht. 
Eine zweite Annäherung: Diese Idee von der Seele im Tango hatte eine Quelle und eine Ursache. Die Quelle lag in uns; vielleicht war sie immer schon da, vielleicht wurde sie jetzt erst freigelegt. Und die Ursache? Die Ursache ist das eigentliche Sujet dieses kurzen Berichtes. Die Ursache hat einen Namen: Dobri Gjurkov! Das erste Mal als ich Dobri sah, machte er das, was er wohl am Liebsten macht: er tanzte! Er tanzte mit einer sehr anmutigen und sehr schönen Partnerin. Seiner Frau Nina. Kleine Bewegungen, genaue Bewegungen, eine Leichtigkeit umgab dieses Paar. Und Musik! (Ja, immer wieder hört man es: Die Musik, wie wichtig sie doch sei. Nein, sie ist nicht wichtig. Sie ist das Kernstück: Ohne Musik kein Tanz! Darauf kann man sich einigen, oder?) Und beide, Dobri und Nina, tanzten nicht nur zur Musik, sie waren in der Musik. Ein guter Tänzer braucht nicht unbedingt ein guter Lehrer zu sein. Was aber macht Dobri zu einem solchen?

Sicher, jetzt könnte ich einen Katalog eröffnen, eine Kompilation von Attributen, die man gemeinhin einem guten Lehrer zuschreibt. Aber das wäre ermüdend und wenig aussagekräftig. Zwei Dinge sind es, die ich hervorheben möchte. Und um es vorwegzunehmen, es geht mir nicht um irgendeinen wie auch immer gearteten Vergleich zu anderen Tangolehrern (ich hatte nicht viele, aber allen, die mich unterrichtet haben, bin ich dankbar) und nein, dieses ist keine „Auftragsarbeit“, kein Kommentar eines hörigen Schülers im Dienste seines Lehrers. Letzteres ist etwas, was sich Dobri, da bin ich mir sehr sicher, auch verbieten würde. Es ist nichts weiter als ein Erfahrungsbericht. Nun, welches sind diese zwei Punkte? 
Zum einen: Dobri legt Wert auf ein solides Basiselement. Ja, so einfach kann das sein. Nun die Frage, welches ist dieses Element? Das Führen respektive das Folgen! Welch eine Überraschung, nicht wahr? Meine Erfahrung ist, dass es für Dobri diesen Kristallisationspunkt in seinem Unterricht gibt. Keine Aneinanderreihung von Boleos, Volcadas etc. Wer das sucht, die großen Bögen, mit viel Schwung und einer Menge Effet (nach innen) und Effekt (nach außen), der ist sicher fehl am Platz. Also Minimalismus bis ins Exzessive? Nein. Und auch nicht das mantraähnliche „Die-Arbeit-an-den-Basiselementen-ist-ja-so-wichtig!“ einiger Tänzer und Tänzerinnen hineingehaucht in die Stille zwischen zwei Boleos. Zum Glück macht Dobri ernst: „Eine Figur im Tango zu erlernen dauert 10 Minuten, das Gehen 10 Jahre!“ Fast jeder, der ein wenig Tangoerfahrung hat, kennt diesen Satz. Aber wer durfte ihn schon einmal an sich selbst erleben? Und konkret, als Mann an die Männer oder allgemeiner, an die Führenden: Was kann ich mit meinem Oberkörper machen? Wie viele Dimensionen besitzt mein Brustkorb? Eine, zwei, drei oder sind es gar vier? Zu technisch? Dann dies: Mit meinen Ohren kann ich hören. Mit dem Rest meines Körpers auch? Ja, das geht. Aber es braucht eben Zeit und zwei Menschen, die zu- und hinhören wollen und können - das kann man lernen. Zumindest hoffe ich das – in aller Ehrlichkeit und mit einer gehörigen Portion Demut. Zum anderen: Dobri hat eine Vision vom Tango. Ein großes Wort, ein sehr großes Wort in der heutigen Zeit. Muss man ein solches Wort hier einfließen lassen? Man muss es sicher nicht, aber man kann es. Ich tue es. Ich tue es, und ich will dies argumentativ tun. Eine Vision zu haben, heißt doch erst einmal nichts anderes, als einen Blick von und auf etwas zu haben. Und gerade darum geht es: Einen Gesamtblick, einen Überblick zu haben. Und ich rede hier vom Tango als Tanz. Bei einem unserer letzten Gespräche sagte uns Dobri sinngemäß, die meisten seiner Schüler seien zu verspannt, zu wenig erdig beim Tanzen (oder wie Nina es mir einmal ganz am Anfang sagte: „Du tanzt zu höfisch.“ Nie hat mich jemand liebevoller kritisiert! Danke Nina!). Aus diesem Grund müsse er sie häufig erst einmal lockerer, weicher machen, um sie dann wieder mit Spannung (im Rumpfbereich) zu versehen. Was ist das anderes als ein Gesamtbild? Ein Plan, der so leicht daherkommt, ohne Allüren, ohne vorzugeben, ein Masterplan des richtigen Tanzens zu sein. Und noch einen Schritt weiter: Wie auch immer Dobri nach außen hin wirken mag, er schafft es, eine scheinbare Antinomie nahezu spielend (und spielend ist hier in keinster Weise abwertend gemeint) zu verbinden: Klare Vorgaben hinsichtlich des Führens und Folgens und ein permanenter Appel an die innere Stimme der Tänzer „Wie fühlt sich das für dich an?“ „Ja, wie fühlt sich das für mich an?“ Nun, wir waren und sind begeistert von diesem Lehrer/-paar und mir fällt es nicht schwer zu schreiben: Wenn Sie Lust haben das Miteinander-Gehen zu lernen, wenn Sie sich vorstellen können, dass der Weg für Sie zwar nicht das Ziel, aber doch die Summe (oder etwas mathematischer: das Integral) der Etappen darstellen kann, auf denen man beim Lernen eine genauso große Freude und Lust wie beim Gelingen einer schönen Figur zu empfinden vermag, dann gehen Sie zu Dobri und Nina. Für uns war und ist es der Weg in eine größere tänzerische Freiheit!

Autor: Dierk Neumann (von uns gegangen 03. 04. 2014 - Dierk - wir sehen uns im Tango Himmel !)

D) TANGO ARGENTINO - ZEITGEIST ODER TANZRICHTUNG?

“Gott sei Dank, wir sind nicht in Buenos Aires!”

“Ja, sagte ich in mich schmunzelnd, Gott sei Dank …!”

Der junge Mann entfernte sich mit einer beleidigten Miene, nachdem ich darauf bestand, dass er meinen Stuhl mit meiner Schuhtasche, meinen Wertgegenständen und meiner Jacke darauf, bitte räumen möge. “Das höre ich zum ersten Mal in der Milonga* - “Wir setzen uns, wo gerade frei ist!” - hatte er gesagt. Ich machte ihn daraufhin aufmerksam, dass man in den “echten” Milongas in Buenos Aires den eigenen Platz zugewiesen bekäme und man sich an diese Sitzordnung hielte, die eine eigene, für die Anwesenden, verständliche Logik und Bedeutung hat. Genervt und erleichtert zugleich murmelte er: “Gott sei Dank, dass wir nicht in Buenos Aires sind”

Dieser Austausch ist typisch für die Einstellung vieler heutiger Männer und Frauen “vom Welt”. Fremde Bräuche, Gewohnheiten oder Regeln sind nunmal erlaubt oder akzeptiert, nur solange es unseren Befindlichkeiten entspricht.

Ich muss immer daran denken, wenn ich den Begriff “Leitkultur” höre - damit habe ich zugegebenermaßen meine Schwierigkeiten:

Erstens, wenn heutzutage etwas leitend ist, dann nicht Kultur, sondern (vorwiegend amerikanisierte) Kulturlosigkeit, und zweitens, wenn auf der Fußgänger Zone manch eine halbnackte, mit einem Ring in der Nase (und weiss der Himmel wo sonst noch!), in voller Kriegsbemalung 16-Jährige auf 17 cm Absätzen an mir vorbei flaniert, suche ich vergeblich nach den Anzeichen der “Judeo-Christlichen Traditionen und Bräuche”. Unsere “bekannten Oberen” sollten sich vielleicht fragen, ob MTV nicht eine größere Gefahr für die deutsche kulturelle Identität darstellt, als die paar Bauernmädchen aus Anatolien mit ihren Kopftüchern …

IM ZEITALTER DER BELIEBIGKEIT

Um auf den Argentinischen Tango zurück zu kommen, wenn wir es als Vorspiel oder einfach Annäherungsvorwand missbrauchen, ist es gerade recht, aber Tanzregeln, Sitzordnung - wozu denn das?! Im Zeitalter des kulturellen, emotionellen und sittlichen Relativismus ist natürlich nichts verbindlich, alles kann man “auch anders sehen” (einer der Un-Ausdrücke unsere Zeit, oder soll ich schreiben der vier Jahrzehnte seit 1968?)

Wenn ein selbsternannter Tango DJ (“musicalizador” genannt in Argentinien) nicht weiss, was er den Tanzenden spielen soll, weil er zu wenige tanzbare Tangos hat, oder schlicht ahnungslos ist, was aber natürlich seiner Eitelkeit keinen Abbruch tut, dann spielt er “NON TANGOS”. Klingt irgendwie “in” und der Kaiser behält seine Kleider…, vorläufig!

Wenn einer den Tanz nicht kennt oder tanzen kann, dann hat er “EINEN EIGENEN STIL” - früher musste man sein Handwerk erstmal perfekt beherrschen, bevor man “seinen eigenen Stil” entwickeln konnte, wenn überhaupt. Im Zeitalter der mobilen Telefonie und der globalisiert unbegrenzten Eitelkeit- und Befindlichkeits - Reiterei sind wir da viel “liberaler” …

Dieser Zustand der Dinge ist umso erstaunlicher und bedauernswerter, wenn man bedenkt, dass Deutschland und die Deutschen einst bekannt waren für eine intelligente, weltoffene Neugierde, als mutige Reisende und Vorreiter der Archeologie immer bemüht, Fremdes zu erhalten und unverfälscht weiterzugeben …

Aus diesen und anderen Überlegungen heraus, da mir der Argentinische Tango und seine Wege (und Irrwege) am Herzen liegen, sowie auf Anraten meiner Frau, habe ich mich entschieden, einige Gedanken zum Thema niederzulegen. Der geneigte Leser möge es mir verzeihen, wenn ich mich zeitweise ausserhalb des Themas Tango Argentino bewege - einerseits darf ich es (noch), und andererseits bin ich der tiefen Überzeugung, dass alles mit allem zu tun hat, dass alles ein Politikum ist! Frei nach dem Motto “So wie man geht, so denkt man”, nicht nur im Tanz.

TANGO ALS VOLKSTANZ

Als ich das erste Mal meinte, verstanden zu haben, worauf es im Argentinischen Tango ankommt, dachte ich mir “das müsste in Deutschland doch eigentlich eine Massenbeschäftigung werden”- als wohltuendes Gegenmittel für angespannte und steifgewordene Hochleistungsmenschen.

Tango Argentino ist die Kunst, auf kleinsten Raum, innerhalb einer gemeinsamen Bewegung (Tanzrichtung, gegen den Uhrzeigersinn), zusammen mit dem eigenen Partner und anderen Paaren, sich fortbewegen zu können. In einer geschlossenen, ruhigen Umarmung, innerhalb des Rhythmus und der Struktur, die uns die Musik vorgibt. Indem man nicht Figuren, schon gar nicht Choreographien, sondern das gerade “Mögliche” tanzt, oder genauer gesagt “geht”. Tango ist nicht ein “WAS” sondern ein “WIE”. Vor allem eine bestimmte Art zu Gehen (“caminar”). Die Argentinier sagen “für eine Figur brauche ich 10 Minuten, fürs Gehen 10 Jahren”. Ein erdiges, schweres, in den Boden Gehen, ganz anders als z. B. im Standard Tango. Ein Gehen, dass, wenn es einmal soweit ist, eine eigene stabile Achse entwickelt, ein entspanntes in den Boden Stehen und Gehen ermöglicht. Ich sage oft zu meinen Tanz-Schülern, “…wenn es nicht logisch ist, ist es kein Tango. Wenn Du es nicht einer fremden Frau, die “gut” steht, ohne Worte beibringen kannst, wenn die Bewegung sich nicht natürlich aus einer entspannten Haltung heraus ergibt, dann ist es kein Tango.” Eine Bewegung die nicht “aus dem Kopf”, sondern geführt entsteht, verlangt absolute Konzentration und Aufmerksamkeit von beide Partnern. Die Umwelt, außer als beabsichtigte Bewegungsbahn, weicht in den Hintergrund und das Paar ist sich alleine überlassen. Ein gemeinsamer energetischer und emotioneller Raum entsteht, das Blut schießt uns in die Köpfe und wir spüren nur noch das Schlagen des Herzens unserer Partnerin, unseres Partners und hören wie im Rausch die Klänge der Musik. Jeder behält seine Achse, niemand “verliert sich, löst sich auf, ergibt sich” seinem Partner gegenüber, vielmehr Mann und Frau begeben sich freiwillig und selbständig in die Umarmung des anderen, um ein drei minütiges (längere Aufnahmen waren auf einer Schelllackplatte nicht möglich!) Liebesspiel, mit dem Akzent auf Spiel, zu geniessen. Jeder in seiner Achse. Ein Dialog beginnt. Die berühmte “Erotik” des Tango Argentino entsteht. Ein Tanz für erwachsene Menschen, die auf eigenen Beinen stehen.

STANDARD, TANGO NUEVO UND CO.

Ich habe die geheime Vermutung, dass die rückenbrechende Disziplin, die sich Standard-Tango nennt, die Folge von der konsequenten, mit angelsächsischer Gründlichkeit durchgeführten Maßnahme, seitens der Briten in den 30er Jahren des 20ten Jahrhunderts ist, dem Argentinischen Tango alle Elemente des authentischen Dialogs zwischen Mann und Frau zu entreissen. Es in eine ritualisierte, leere Hülle umzuwandeln, um somit eisige vornehme Zurückhaltung obsiegen zu lassen. Wie missverständlich, dass es auch Tango genannt wurde …

Und dann gibt es diese heutzutage so verbreiteten “Alternativformen”: Tango Nuevo*, Electro Tango, Neo Tango, den bereits erwähnten “Non” Tango. “Weiterentwicklungen”, die sich meistens dadurch kennzeichnen, dass deren Anhänger mit ihren ausladenden, choreographierten Bewegungen bei voller Tanzfläche eine Gefahr für die Anderen darstellen können.

Diese Strömungen haben eines gemeinsam: Die Ritualisierung der Bewegung, das Isolieren der einzelnen Tänzer zu Gunsten der Ästhetik nach Aussen, der Austausch von Innigkeit mit Effekthascherei. Ein Spiegel unserer Zeit, in der es meistens darum geht, sich selbst darzustellen, ohne Rücksicht auf die Umgebung, unbewusst mit dem Ziel Nähe zu vermeiden.

Das extreme Gegenteil von dem emotionell reichsten und potenziell intimsten tänzerischen Erfahrungen innerhalb eines Paares, die ich kennenlernen durfte.

Auch ein Grund, diese Zeilen zu schreiben.

GEFÜHLE ZEIGT MAN NICHT, ODER DOCH?

Ich habe einmal in einem Interview gesagt, dass ich beim Tango Argentino Unterrichten in Deutschland es mit 80 % Befindlichkeiten und 20 % Technik zu tun habe. Im Ausland, besonders im Süden, liegt es umgekehrt. Unsere alltägliche Aufgaben in einem geschlechter - neutralen Arbeitsalltag verlangen all zu oft männliche Verhaltensweisen von den Damen und weibliche Verhaltensweisen von den Männern. Im Tango sind die Rollen jedoch klassisch verteilt. Der Mann ist Schöpfer, Entscheider, Planer, Interpretator der Musik, Führender, er führt, weil nur er sieht, was sich hinter der Frau befindet oder abspielt, … aber auch Beschützer und aufmerksamer Begleiter. Die Frau wartet geduldig auf seine Signale und entfaltet ihr Können, ihre Anmut und Schönheit, ihr Improvisationstalent innerhalb des zeitlichen und raümlichen Rahmens, welchen ihr Begleiter, abhängig von der Situation auf der Tanzfläche, ihr zur Verfügung stellt. Klingt dies etwa “altbacksch”? Probieren Sie es! Vielleicht macht es plötzlich wieder Spaß im eigenen Geschlecht zu agieren … Ein entspannter, selbstsicherer Mann zu sein. Eine weibliche, wirklich emanzipierte, selbstbewusste Frau…, ausserhalb und trotz “Geschlechter Krieg”

Neulich sagte ein junger Argentinier zu mir:

“Ich gebe dem Tango Nuevo nur noch 4 - 5 Jahren. Bis dahin sind wir wieder fest in den alten, klassischen Tanz- und Benimmregeln.”

Ich war erstaunt und fragte:

“Zu schön, um wahr zu sein, aber wie kommst Du zu dieser Prognose?”

“Ganz einfach” sagte er, “wir haben im Tango Nuevo den Frauen die Umarmung weggenommen - die Frauen wollen ihre Umarmung zurück”

Ja, dachte ich, in mich schmunzelnd, die Frauen werden Ihre Umarmung zurück haben wollen …”

(Fortsetzung folgt)

*Milonga bezeichnet: Seit 1872 ist der Begriff Milonga in der Bedeutung „Tanzveranstaltung“ belegt.[10] Heutzutage treffen sich Tangotänzer (traditionell als Milonguera und Milonguero bezeichnet - aktueller als Tanguera und Tanguero) zu Milongas, um zu den drei Rhythmen zu tanzen: Tango, Vals und Milonga (Musik). Jeweils drei bis fünf Stücke eines Typs bilden sogenannte Tandas, die durch kurze Intermezzi (Cortinas) musikalisch unterbrochen werden können. Der Ablauf einer Milonga wird durch verschiedene Sitten (Códigos) geordnet, diese können durchaus von Veranstaltung zu Veranstaltung differieren.

*Tango Nuevo bezeichnet: Als Tango Nuevo („neuer Tango“), manchmal auch Neotango, bezeichnet man die Stilentwicklung den Tango Argentino zu zeitgenössischen Formen und Kunstansprüchen weiterzuentwickeln. Dies beinhaltet die Weiterentwicklung und Synthese der klassischen Tangomusik mit modernen, meist populärmusikalischen Mitteln und die Weiterentwicklung und Variation der Formen und Elemente im Tango Argentino.

Autor: Dobri Gjurkov (TANGONIDO - für Traum-und andere Tänzer)

(Der Autor ist Tango Argentino Lehrer, Tango DJ, Grafiker, Grafik Designer, Kunstmaler, Dolmetscher in sechs Sprachen, multikulturell (jedoch NICHT MULTI KULTI) gross gewordener Mensch, der sich überall zuhause fühlt, wo er auf intelligente, wache und kompetente Gesprächspartner oder auch Opponenten trifft. Oder auch dort, wo gerade gute alte, klassische Tango Argentino Musik erklingt.

3.) TANGO ARGENTINO - EIN GESELLSCHAFTSTANZ. TEIL 2. (FOLGT)

“Estas tan in que no encontrás la salida” (KEVIN JOHANSEN - “LOGO”)

“Du bist so “in” - Du findest den Ausgang nicht mehr …” (KEVIN JOHANSEN - “LOGO”)

E.) WENN WIR TANZEN - Rudolf Steiner

„Denken Sie sich jetzt: es geht geradezu unsere Absicht als Mensch darauf hin, die Bewegung der Welt durch unsere Gliedmaßen nachzuahmen, aufzunehmen. Was tun wir denn da? Wir tanzen. Sie tanzen in Wirklichkeit; das andere Tanzen ist nur ein fragmentarisches Tanzen. Alles Tanzen ist davon ausgegangen, Bewegungen, die die Planeten, die anderen Weltenkörper ausführen, die die Erde selbst ausführt, in den Bewegungen, in den Gliederbewegungen der Menschen zur Nachahmung zu bringen. Aber wie ist denn das nun mit dem Kopfe und mit der Brust, wenn wir die kosmischen Bewegungen tanzend nachbilden in unseren Bewegungen als Mensch? Sehen Sie, da ist es so, im Kopfe und in der Brust, als wenn sich die Bewegungen, die wir in der Welt ausführen, stauen würden. Sie können sich nicht fortsetzen durch die Brust in den Kopf hinein, denn der Kerl ruht auf den Schultern, der lässt die Bewegungen nicht sich fortsetzen in die Seele hinein. Die Seele muss in Ruhe an den Bewegungen teilnehmen, weil der Kopf auf den Schultern ruht. Was tut sie daher? Sie fängt an, von sich aus dasjenige zu reflektieren, was die Glieder tanzend ausführen. Sie fängt an zu brummen, wenn die Glieder unregelmäßige Bewegungen ausführen; sie fängt an zu lispeln, wenn die Glieder regelmäßige Bewegungen ausführen, und sie fängt gar an zu singen, wenn die Glieder ausführen die harmonischen kosmischen Bewegungen des Weltalls. So setzt sich um die tanzende Bewegung nach außen in den Gesang und in das Musikalische nach innen. Die Sinnesphysiologie wird es, wenn sie den Menschen nicht als kosmisches Wesen nimmt, nie dahin bringen, die Empfindung zu begreifen; sie wird immer sagen: Draußen sind die Bewegungen der Luft, im Inneren nimmt der Mensch den Ton wahr. Wie die Bewegungen der Luft mit dem Ton zusammenhängen, das kann man nicht wissen. – Das steht in den Physiologien und in den Psychologien, in den einen am Ende, in den anderen am Anfang; das ist der ganze Unterschied. Woher rührt denn das? Das rührt davon her, dass die Leute, die Psychologie oder Physiologie ausüben, nicht wissen, dass das, was der Mensch äußerlich in Bewegungen hat, im Inneren der Seele zur Ruhe gebracht wird und dadurch anfängt, in Töne überzugehen. Und so ist es mit allen anderen Sinnesempfindungen auch. Weil die Hauptesorgane nicht mitmachen die äußeren Bewegungen, strahlen sie diese Bewegungen in die Brust zurück und machen sie zum Ton, zur anderen Sinnesempfindung. Da liegt der Ursprung der Empfindungen. Da liegt aber auch der Zusammenhang der Künste. Die musischen, die musikalischen Künste entstehen aus den plastischen und architektonischen Künsten, indem das, was plastische und architektonische Künste nach außen sind, die musikalischen Künste nach innen sind. Die Reflexion der Welt von innen nach außen, das sind die musikalischen Künste. - So steht der Mensch drinnen im Weltenall. Empfinden Sie eine Farbe als zur Ruhe gekommene Bewegung. Die Bewegung nehmen Sie äußerlich nicht wahr, wie wenn Sie in einem Eisenbahnzug hingestreckt liegen und die Illusion haben könnten, Sie seien in Ruhe. Sie lassen den Zug draußen sich bewegen. So lassen Sie Ihren Leib durch feine Bewegungen der Gliedmaßen, die Sie nicht wahrnehmen, mitmachen die äußere Welt, und Sie selbst nehmen drinnen die Farben und Töne wahr. Sie verdanken das dem Umstand, dass Sie Ihr Haupt als Form tragen lassen in Ruhe von dem Gliedmaßenorganismus.“

Rudolf Steiner in der GA 293, S. 154 f.

F.) GEDANKEN …

Zum Thema eigene Kultur und Identität bewahren, im Zeiten der Europa Abschaffung: In 1982, definierte Pugliese seinen eigenen Stil folgendermaßen: “Ich denke das Die, die sich mit meiner Musik identifizieren, diejenigen sind, die aus ihrer eigenen Identität nicht flüchten wollen. Ich habe aus ganzem Herzen das Schicksal eines Stils verteidigt, das nicht vom Himmel gefallen ist. Es kam aus der lebendigen Geschichte, dass in jedem von uns schlägt; aus unserem Erbe, so wenig bekannt für viele. Von denjenigen, die vor uns waren. Viele sind immer noch damit beschäftigt, nur dies zu erörtern, was nicht das Unsere ist.”